Die Sage vom Goldbrunnen

Bei Tautenhain liegt im Walde ein alter versandeter Brunnen, der jetzt statt klaren Wassers nur trüben, schmutzigen Schlamm enthält. Früher freilich war es anders. Da war das Wasser des Brunnens silberhell, dass man fast bis auf den Grund sehen konnte, und die Sage berichtet, dass er flimmernde Goldkörner enthalte, von denen manch Glücklicher einige gefunden habe. Daher nannte man und nennt man den Brunnen auch jetzt noch den Goldbrunnen. Als der Brunnen noch hell und klar war, da kam jedes Jahr um Johannis ein zerlumpter, welscher Mausefallenhändler. Immer machte er sich um den Goldbrunnen herum zu schaffen, und im Volke hieß es, er sei ein reicher Mann aus Italien, der in der ärmliche, schlechten Verkleidung unendlich viel Gold aus dem Brunnen hole und mit sich nach Hause nehme. Darüber war der Förster sehr erzürnt und beschloss, den Fremden, wenn er des nächste Mal wiederkäme, zur Rede zu stellen, um ihm das Goldholen ein für allemal zu verbieten. Denn er gönnte dem Fremden die Schätze nicht und wollte sie gern für sich selber haben. So ging er eines Morgens nach dem Goldbrunnen und sah dort eine schöne, weiße Hirschkuh weiden. Das seltene Wild zu erlegen, legte der Förster an und wollte eben abdrücken, als sich die Hirschkuh in einen Menschen verwandelte, in dem er den welschen Mausefallenhändler erkannte.

Der Förster redete den Fremden barsch und gebieterisch an und, als dieser ihm keine Antwort gab, warf er voll Wut ein schweres Holzscheit nach ihm, das den Mann so hart an den Kopf traf, dass er tot zur Erde stürzte. Der Förster aber eilte in Angst und Reue nach Hause. Doch auch dort ließ ihn das Bild des Erschlagenen nicht Ruhe finden. Das vergossene Blut lastete schwer auf seiner Seele, und nicht eher ward es stiller in ihm, als er beschloss, selbst nach Italien zu gehen, um zu erfahren, ob er wirklich den Fremden durch seinen Wurf getötet habe. Vor dem Dorfe aber nahm ihn eine Wolke auf, die ihn wie ein Wirbelwind forttrieb und an den Stufen eines prächtigen Palastes in Venedig niederließ. Während sich hier der erschrockene Förster umsah, kam ihm der tot geglaubte Fremde in prächtigen Kleidern, aber mit verbundener Stirn entgegen und empfing den Verlegenen freundlich und herzlich.

Dann führte er den erstaunten Förster durch herrliche Zimmer und suchte ihn zu beruhigen, indem er ihm erzählte, dass er seit 20 Jahren jeden Sommer Gold aus dem Goldbrunnen geholt habe; jetzt aber nicht wiederkommen werde, weil nun die Quelle auf hundert Jahre versiegen müsse. Dann bewirtete er seinen Gast prächtig und brachte ihn zuletzt in ein wundervolles Bett, in dem der Förster bald einschlief. Als er erwachte, lag er auf einer grünen Wiese vor seinem Heimatdorfe; in dem Ranzen aber, den auf dem Rücken trug; fand er viel, viel Gold, das ihm der freundliche Italiener mitgegeben hatte. Der Förster zog bald von Tautenhain fort, weil er nicht länger an dem Orte leben mochte, an dem er beinahe zum Mörder geworden wäre. Der Goldbrunnen aber steht heute noch. Ob die hundert Jahre noch nicht vorüber sind oder ob sein Wasser nie wieder strömen wird? Wer mag das wissen? Wenn es aber wieder emporsteigen wird aus Nacht und Tiefe, dann kann sich Gold aus ihm holen, wer will und soviel er begehrt. Es sei ihm von Herzen gegönnt!

Klugerweise wird die Lage des angeblich ehemaligen Goldbrunnens auf keiner Karte mehr vermerkt. Sogar der Goldgrund wird verleugnet. Nur der Bach, der durch den Himmelsgrund an der Rauchmühle vorbei fließt, heißt auch heute noch Goldbach. Hatte man die Umbenennung vergessen? Glaubte man nicht an das Ende des Fluches? Oder musste der Name bleiben? Wieder eines dieser vielen geheimnisvollen Geschehnisse im Holzland! Eigentlich sollten die 100 Jahre des Versiegens der Quelle längst vorbei sein. Oder doch noch nicht?

Sicherlich nicht zu DDR Zeiten. Denn das hätte die Stasi doch wohl heraus bekommen. Oder auch nicht? Vielleicht gibt es in deren Akten sogar einen „Vorgang Goldbrunnen?“ Wäre doch toll darüber und darin nachzulesen! Da in Tautenhain ein NVA Objekt war, ist es aber auch möglich, dass die „Obergenossen“ nicht nur ihre Akten sondern auch den „Akt Goldbrunnen“ bei der Wende vernichtet haben. Wie so oft damals! Mit dem Gold aus Tautenhain hätten die Kommunisten die Mauer 1961 nicht bauen brauchen. Und die DDR wäre wohl auch nicht Pleite gegangen. Vielleicht hätte es durch das Tautenhainer Gold sogar eine echte Wiedervereinigung gegeben. Nachdem wir mit der DDR Goldflut die Bundesrepublikanischen Betriebe aufgekauft hatten? Zu viele „hätten“!

Die Italiener sind raus aus dem Rennen. Als wir 1998 in Venedig waren fanden wir viele renovierungsbedürftige Paläste. Mehr noch! Die Stadt ist bedroht vom Untergang, wenn nicht schnellstens Mittel zum Schutz vor dem Wasser, das am Untergrund nagt, bereitgestellt werden. Da wäre die Ausschöpfung eines Goldbrunnens natürlich eine willkommene Hilfe. Wenn es sie denn gegeben hätte.

Eines ist aber dem unvoreingenommenen Neuankömmling in Tautenhain gleich aufgefallen. Überall in Brandenburg zum Beispiel, aber auch in Gera oder im Vogtland, auch in Sachsen kommen die Leute bei einer Unterhaltung nach kurzer Zeit auf das liebe Geld zu sprechen. Nicht so in Tautenhain. Vor dem Wissen vom Goldbrunnen dachte ich, dass die Tautenhainer eben genügsame Menschen sind. Und zufrieden mit dem Wenigen, was vielen nach der Wende blieb. Ist wohl auch so.

Aber noch ein weiteres:
„Über Geld spricht man nicht! Geld hat man!“ Diese alte Volksweisheit scheint wohl für eine ganze Anzahl Tautenhainer besonders zuzutreffen. Nicht zuletzt, wenn man die Luxusvillensiedlung am Ortseingang sieht und weiß, was so etwas kostet. Überhaupt könnte das erklären, warum Grundstück- und Immobilienpreise hier so hoch sind, warum sich so viele Leute einen Gaststättenbesuch leisten können.

Irgendwie und irgendwann hatten diese Insider wohl herausbekommen, wann der Fluch aufgehoben war. Sicher ist die Zeit der Goldfindung nicht mehr um Johannis. Es ist eine andere Jahreszeit, die nur Eingeweihten, und das sind die Tautenhainer allemal, bekannt ist. Das Gold, welches früher nach Italien ging, bleibt jetzt im Lande. Wohl sogar im Ort Tautenhain! Nur wann ist es zu finden? Im Sommer? Unwahrscheinlich! Die vielen Urlauber würden beim Aufglauben der Goldkörner stören. Und die Goldzeit ist sicher um Mitternacht und bei Vollmond. Aber keiner der Wohlhabenden stimmt da bestätigend zu. Alle lächeln nur vieldeutig und schweigen! Ist das nicht schon ein Beweis?

Verdächtig ist auch, dass der „Unnütze Verein der Freien Mutzfänger Thüringens“ so sehr darauf besteht, dass der Mutz speziell im Zeitzgrund bei Hermsdorf und im Erlbachtal bei Kraftsdorf leben würde. Komisch? Wäre doch gerade der Himmelsgrund bei Tautenhain, der früher ja auch Goldgrund hieß, mit seinem Goldbach eine ideale Lebensumgebung für den Mutz. Steht vielleicht die Mutzladestation in der Nähe des Goldbrunnens und bezieht ihre Energie aus einer Gold- Holzlandgestein-Batterie? Haben die Eingeweihten einen Gold- Amperemesser, der ihnen anzeigt, wann die Zeit der Goldhaltigkeit wieder gekommen ist?

Ist der Name „beschränkte Hafter“ im Verein der Mutzjäger bewusst gewählt worden, um davon abzulenken, dass die nur auf das Gold aus sind? Will man die Touristen in die andere Gegenden locken? Was haben denn diese Munitionswarnschilder zu bedeuten? Zum Baumfällen gehen die Forstarbeiter doch auch in diesen Wald. Da wollen doch nur welche ungestört Gold einsacken! Oder? Rätsel über Rätsel.

Aber wenn wir sie lösen können wird vielleicht das Holzland in Goldland umgetauft? Wäre nicht so gut. Wenn ich da an die Zustände in Amerika und Australien während des Goldrausches denke. Einen großen Nachteil bekäme das Holzland als Goldland dann nämlich. Der Goldrausch veränderte in Kalifornien, am Klondike, in den Goldfeldern von Down under die Landschaft zu deren Nachteil bleibend. So würde die schöne, die einzigartige Landschaft des Holzlandes auf der Strecke bleiben.

Eigentlich sollten alle Tautenhainer, und nicht nur die wenigen heutigen Insider, in den Genuss des Goldes und eines ungehemmten Wohlstandes kommen. Dazu muss man aber erst ein Mal postulieren und beim Landratsamt durchsetzten, dass der Teil des Himmelgrundes, an dem die Goldquelle sprudelt, zu Tautenhain gehört!
Ach so! Und die unfreundlichen Leute? Waren alle erfolglos nach der Goldquelle Suchende, die verärgert wieder nach Hause gingen oder radelten.

In Anlehnung eines Märchens von Hauff „Das kalte Herz“ und zumal ich ein Sonntagskind bin, habe ich natürlich auch einen Versuch unternommen, die Goldquelle zu finden.
Vor einer hohen Fichte im Himmelsgrund sprach ich die magischen Worte:

Schatzhauser, im grünen Tannenwald,
bist schon viele 100 Jahre alt.
Dir gehört all Land, wo Tannen stehn!
Lässt Dich nur von Sonntagskindern sehn.

Aber nichts tat sich. Noch ein zweiter Versuch! Auch ohne Erfolg. Holzland bleibt eben Holzland. Und Fichten sind eben keine Tannen. Vielleicht kennt sich das Glasmännlein im Holzland bloß nicht so aus. Oder aber es lehnt als Glasmann den Holzhandel generell ab. Weil da der Holländer Michel seine Hände im Spiel hat. Der Kohlen- Peter kann davon ein Lied singen. Vielleicht mag der Glasmann aber keine Ossis? Dabei hätte ich doch bloß diesen einen winzig „kleinen“ Wunsch nach dem Goldbrunnen gehabt. Und nicht gleich drei Wünsche wie die Schwarzwäldler.

Also gönne ich nun halt denen, die es wissen, das Gold von Herzen. Hauptsache! Sie halten dicht und das Holzland bleibt wie es war und ist.

Es gibt aber noch eine zweite Geschichte über den Goldbach. So sollten zwei Brüder aus Reichenbach, die Berger hießen, ein Fass mit Goldmünzen nach Berlin transportieren. (Andere Quellen sagen, dass die Brüder aus Rüdersdorf waren und der Transport von Wien nach Hamburg gehen sollte). Die Fuhrunternehmer kannten den Inhalt des Fasses aber nicht. Als sie durch Zufall den Goldschatz entdeckten überkam sie die Raffgier. Sie täuschten einen Überfall vor. Es dauerte zwei Jahre bis man die Diebe beim Verkauf von Münzen entdeckte, verhaftete und zu Gefängnisstrafen verurteilte. Nicht alles gestohlene Gold wurde wieder gefunden. Die Brüder hatten den Schatz auf viele kleine Behältnisse verteilt und vergraben. Wenn dies in Eutrizsch in einem Pferdestall geschah bräuchte man im Goldgrund nicht weiter suchen. Aber beim Ziehen von Gräben für die Wideraufforstung fand ein Arbeiter im Himmelsgrund einen Behälter mit geprägten Goldmünzen. Wie viel mag noch vergraben im Boden liegen?
Oder wurde es schon gefunden?
Reden ist Silber! Schweigen ist Gold!
Eigentlich benötigt der Wanderer im Holzland einen solchen Goldschatz nicht. Werden ihm doch von der Natur, vom Land und den Menschen reichliche Schätze geboten.

Wenn der Goldbrunnen wirklich existiert, so haben ihn die Bewohner der Rauchmühle bisher bestimmt nicht gefunden. An den Gebäuden würde ich bei starkem Wind nicht wieder vorbei gehen. In Reichardtsdorf, das 1259 als Richardsdorf entstand, mit renovierten und neuen Häusern ist die Vermutung schon eher denkbar
Dieter Tischendorf

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