Der Maibaum in Thüringen Maibaum in Thüringen

Der Maibaum in Thüringen

Allen Maibäumen gleich ist, dass der Wipfel des Baumes seinen natürlichen Schmuck weiter trägt. Nach alter germanischer Überlieferung wohnen im grünen Wipfel des Maibaums die Götter. Deshalb gab es die unbedingte Anforderung an die den Baum fällende Burschenschaft, dass die Spitze beim Fällen unbeschädigt bleiben mußte. Dort oben hängt dann auch, allerdings wieder abhängig von der Gegend, der Maikranz, geschmückt mit den bunten Bändern der ledigen Mädchen des Ortes. Der Kranz in der Spitze hat nicht nur schmückende Funktion. Er stellt das weibliche Element dar, das vom männlichen Element durchdrungen wird. Ein sehr eindrucksvolles Sinnbild am Maibaum als Symbol der Fruchtbarkeit und der Lebensfreude.

In fast jeder Gemeinde des Holzlandes wird um Pfingsten herum ein Maibaum gesetzt. Wenn ich für 2003 richtig gezählt habe gab es Maibäume in 20 Gemeinden, die von Mai bis Juni errichtet wurden. Von der Burschenschaft des jeweiligen Ortes, mit dem entsprechenden Zeremoniell im Wald ausfindig gemacht, gefällt, als Maibaum zubereitet und unter Bewachung ein oder zwei Tage vor dem Setzen auf einem geschmückten Pferdevierspänner in den jeweiligen Ort zum Maibaumplatz gebracht. Früher war es unter sich konkurrierenden Gemeinden nicht so selten, den Maibaum zu stehlen oder zu beschädigen.

Heute ist das Maibaumstehlen im Holzland unüblich. Würde auch bei der Gesamthöhe von 30 Meter etwas schwerlich und viel zu auffällig sein. In Bayern dagegen ist das Stehlen, Wiederauslösen oder aber Aufstellen des gestohlenen Baumes als „Schandbaum“, der nach gewisser Zeit zersägt und versteigert wird, mittlerweile eine durch Festlegungen und einem Ehrenkodex geregelte feste Tradition. Eines ist dabei absolut verboten. „Es ist frevelhaft den Baum zu zersägen oder zu beschädigen“ schreibt Ottmar Schubert in seinen 7 Regeln für Maubaumdiebe (Maibäume- Tradition und Brauchtum). Das haben beim spektakulärsten Maibaumdiebstahl der letzten Jahre am 28. April 2004 die Diebe des Zugspitzenmaibaums auch nicht getan. Neben Freibier forderten die Diebe 10 Saisonkarten und für einen Winter kostenlose Verpflegung im Zugspitzenrestaurant.

Die Burschen aus Weißenborn, einer Nachbargemeinde von Tautenhain, behaupten, dass die Tautenhainer vor 2001 den Weißenborner Maibaum angesägt hätten. Auf Befragen sagten mir entsprechende Tautenhainer Bürger, dass sie so etwas nie und nimmer bei der so beliebten Nachbargemeinde getan hätten. Und dabei strahlten sie mit verschmitzter Holzländerfröhlichkeit den Fragesteller an. Sei es wie es sei. Beide Gemeinden bewachen seitdem ihren Maibaum intensiver als die Treue ihrer Ehefrauen.

Alles um diesen Maibaum ist traditionell und rituell. Es war zum Beispiel früher ein ungeschriebenes Gesetz, den Maibaum in der Walpurgisnacht zu schlagen. Oder aber erst am Morgen des 1. Mai. So hatten zwar Maibaumdiebe kaum eine Chance, aber die Zeit zum festlichen Schmücken des Baumes und natürlich zum würdigen Betrinken der einzelnen Schritte wurde sehr knapp.

In Tautenhain zum Beispiel geht die Maibaumtradition bis ins Jahr 1904 zurück. Wobei natürlich nicht unerwähnt bleiben darf, dass sich die Zimmerleute von Tautenhain, Rüdersdorf, Hermsdorf und Klosterlausnitz bis 1878 jährlich zu Pfingsten in Klosterlausnitz zu einer zünftigen Feier, dem „Hambricht“, trafen. Anders als in Bayern begann die Maibaumtradition in Tautenhain mit dem Setzen mehrerer Maibäume am 1. Mai. Einer davon war der „Arbeitermaibaum“.
In den 50ziger Jahren organisierte sich die Burschenschaft in Tautenhain, eine Vereinigung die erstmals 1924 in alten Schriften erwähnt wurde, neu. Bald wurde von den Burschen auch die Maibaumtradition wieder aufgenommen. Und seitdem setzen die Tautenhainer nur noch einen Maibaum. Zu Pfingsten!

Der zeitliche Ablauf für dieses Fest ist festgeschriebenen. Schon am Donnerstag beginnt die offizielle Feier mit dem Umzug der „kleinen Burschen“ und dem anschließenden Setzen des Kindermaibaums, der gegenüber dem dann am Pfingstsonntag aufzustellenden richtigen Maibaum steht. Und am Freitagnachmittag eröffnet das „Setzen der Birken“ das Maibaumfest. Die Handballer des Ortes sprechen bei Einwohnern vor und erbitten das Einverständnis, gegen einen kleinen Obulus vor dem Haus frisch gehauene Birken als Zeichen des Willkommens der Jahreszeit des Wachsens und Werdens aufstellen zu dürfen.

Ab 18.00 Uhr werden dann die Burschen aktiv. Sie klingeln an den Häusern, wo junge unverheiratete Mädchen wohnen, und sammeln deren Bänder, die die Krone des Maibaumes zieren sollen, ein. Und dann am Samstag geht die Maibaumfeier so richtig los. Ab 08.00 Uhr wird bei einem zünftigen Waldfest der Maibaum mit Blasmusik, Chorgesang und Jagdhornklängen eingeholt. Das Waldfest ist bekannt und auch von Gästen gut besucht. Die legendäre Thüringer Rostbratwurst, Wildschwein am Spieß, manchmal auch Mutzbraten, Naschereien für Kinder und für jeden das gewünschte Getränk sorgen schnell dafür, dass die Stimmung fröhlich und festlich wird.

Die Burschen müssen den Baum aus dem Wald heraustragen. Zwar nicht auf einem Vierspänner, aber mit einem Pferdefuhrwerk, wie es die Regel vorschreibt, wird der Baum anschließend in das Dorf gefahren. Die Feier des Baumeinholens geht in Tautenhain fast nahtlos in den Maitanz im Vereinshaus über. Böse Zungen behaupten, dass einige Teilnehmer des Gottesdienstes, der vor dem Maibaumsetzen am Pfingstsonntag stattfindet, direkt aus dem Vereinshaus schnell mal rüber gehen. Das ist aber sicherlich nur üble Nachrede, denn wie in Bayern startet auch in Tautenhain der eigentliche Frühschoppen erst nach dem Gottesdienst. Der Grund ist allerdings nicht der Kater von der vergangenen Nacht, sondern das Bedürfnis, dem Anplatten des Maibaumes, ein würdiges Umfeld zu geben. Unter diesem Anplatten versteht man die Verbindung zweier vorbereiteter und bis dahin bewachter Fichten zum endgültigen Maibaum mit einer Höhe von ungefähr 30 Meter. Pünktlich 13.00 Uhr sammelten sich die Burschen mit ihren bunten Schärpen über den blauen Schürzen am unteren Rand des Dorfes, um mit Musik gemeinsam zum angeplatteten Maibaum zu ziehen. Ein Jahr später startete der Umzug am Gasthof „Zur Kanone“.

Das Setzen des Baumes hat Dorffestcharakter. Und nicht selten kommen viele auswärtige Besucher deswegen nach Tautenhain. Es ist eine überlieferte Tradition, dass zum Aufrichten des Maibaumes keine technischen Hilfsmittel, nur die von der Natur gegebenen Möglichkeiten, eingesetzt werden dürfen. Mit jeweils zwei zusammengebundenen Stangen, die hier Schären (in Bayern Schwaibeln) genannt werden, richten die Burschen unter Anleitung des Richtmeisters Meter für Meter den Maibaum auf, der in ein vorbereitetes Erdloch zur endgültigen Höhe gedrückt wird. Dann kommen die vorher schon hergestellten Keile, die neben dem Erdloch liegen, zur Befestigung und Stabilität zum Einsatz. Ein Maibaum darf nicht von allein kippen. Das wäre eine Schande. Nicht nur für die Burschenschaft. Nein für den ganzen Ort. Denn der Spott der Nachbarorte wäre unüberhörbar. So hat der Richtmeister eine hohe lokalpolitische Verantwortung.

Der gerichtete Maibaum ist nach alter Tradition unantastbar. Es wäre ein Frevel, diesen Baum noch zu schädigen. So haben mit Errichten des Baumes auch die Baumwachen ihre Pflicht getan und können mit gutem und ruhigem Gewissen am Abend zum Burschenball gehen. Sicher auch in dem Bewusstsein, dass das Glas Bier zu viel heute Abend am Pfingstmontag verdunstet sein wird.
Dieter Tischendorf

Foto: Dieter Tischendorf

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